«Clean Eating» heisst über­setzt so viel wie «sau­be­res Essen». «Sau­ber» ist dabei aber nicht unbe­dingt wört­lich zu ver­ste­hen. Es geht näm­lich nicht um gerei­nig­tes, son­dern viel­mehr um unbe­han­del­tes Essen. Ver­bo­ten (und das ist übri­gens das ein­zi­ge Ver­bot der Metho­de) ist bei Clean Eaters alles, was durch die Indus­trie behan­delt wur­de. Das heisst Fast Food, Fer­tig­ge­rich­te, raf­fi­nier­ten Zucker, Trans­fet­te, Farb- und Süss­stof­fe oder Weiss­mehl mei­den. Statt­des­sen nimmt man beim Clean Eating nur Nah­rungs­mit­tel zu sich, die natür­li­chen Ursprungs sind wie Obst, Gemü­se, fett­ar­mes Fleisch, Fisch, unbe­han­del­te Milch­pro­duk­te, Voll­korn oder Nüsse.

Clean Eating bezeich­net sich schon des­halb nicht als Diät-Metho­de, weil es – anders als die meis­ten Trend-Diä­ten– kei­ne Ver­bo­te oder Ver­zich­te auf bestimm­te Nähr­stoff­grup­pen kennt. Clean Eaters ver­teu­feln weder Koh­len­hy­dra­te noch Fet­te, noch zäh­len sie Kalo­rien. Aus der Band­brei­te natür­li­cher und fri­scher Lebens­mit­tel darf man sich beim Clean Eating unein­ge­schränkt bedie­nen. Mehr noch: Beim Clean Eating soll sogar dar­auf geach­tet wer­den, dass es zu kei­nen Nähr­stoff­de­fi­zi­ten kommt, son­dern jede Mahl­zeit einen annäh­rend gleich gros­sen Anteil von lang­sam ver­dau­li­chen Koh­len­hy­dra­ten, gesun­den Fet­ten und kräf­ti­gen­den Eiweis­sen hat. Schliess­lich braucht der Kör­per all die­se Vital­stof­fe, um per­fekt zu funk­tio­nie­ren. Diä­ten, die auf Nähr­stoff­de­fi­zi­ten basie­ren, sind nicht nur wider die Natur, son­dern bewir­ken lang­fris­tig auch ein kör­per­li­ches Defi­zit und damit kei­nen Diät-Erfolg, son­dern Mangelerscheinungen.

GROS­SER GENUSS, KEI­NE HEKTIK
Clean Eating soll aber nicht nur der Gesund­heit, son­dern natür­lich auch der Biki­ni­fi­gur auf die Sprün­ge hel­fen. Und das sogar ganz ohne Hun­gern. Auch hier unter­schei­det sich Clean Eating von den meis­ten Diät-Metho­den: Es geht nicht um Ver­zicht, son­dern um bewuss­tes Essen. Denn wer bewusst, mit Genuss und lang­sam isst, isst auto­ma­tisch weni­ger – und spart sich so den Kalo­rien­rech­ner. Ver­su­chen Sie es: Geben Sie sich ab sofort nur hal­be Por­tio­nen auf den Tel­ler, aber neh­men Sie sich die dop­pel­te Zeit für das Essen. Sie wer­den sehen: Sie sind trotz­dem gesät­tigt – obwohl Sie weni­ger geges­sen haben. Beim Clean Eating sol­len auch zwi­schen­zeit­li­che Heiss­hun­ger­at­ta­cken ver­mie­den und der Blut­zu­cker­spie­gel kon­stant gehal­ten wer­den, in dem fünf bis sechs Mahl­zei­ten täg­lich vor­ge­se­hen sind. Dazu zählt übri­gens auch das Früh­stück, das die meis­ten in der Hek­tik des All­tags ein­fach aus­las­sen. Clean Eaters, so heisst es, essen in Ruhe, regel­mäs­sig, aber gemäs­sigt und ken­nen des­halb kei­nen Heiss­hun­ger! – Herrlich!
Apro­pos Hek­tik! Auch in die­sem Punkt unter­schei­det sich Clean Eating von so man­chem Blitz-Diät-Ver­spre­chen. Hek­tik gibt es beim Clean Eating nicht – weder beim Figur-Forming noch beim Essen oder des­sen Zube­rei­tung selbst. Clean EatingisteinLebensstil,der das Bewusst­sein zur Ernäh­rung und den Genuss ver­stär­ken will. Essen soll zele­briert wer­den, mit fri­schen Zuta­ten und selbst gemach­ten Spei­sen. Kochen ist nicht Mit­tel zum Zweck, son­dern Genuss. Eben­so wie das Ein­kau­fen der Zuta­ten. Clean-Eating-Erfin­de­rin Tos­ca Reno emp­fiehlt, sich Zeit fürs Ein­kau­fen zu neh­men, dabei die Händ­ler und Anga­ben der Inhalts­stof­fe gründ­lich anzu­se­hen und nach gesun­den Alter­na­ti­ven zu suchen. Wie wäre es bei­spiels­wei­se mit einem ent­spann­ten Ein­kauf auf dem Wochen­markt oder im Reform­haus? Der Erleb­nis­fak­tor ist hier garan­tiert – eben­so wie der gesun­de Clean-Eating-Bonus.

ESSEN WIE ZU GROSS­MUTTERS ZEITEN
Fas­sen wir also zusam­men: ein­kau­fen auf dem Wochen­markt, fri­sches Zube­rei­ten und Kochen, jeden Mor­gen früh­stü­cken. Das klingt viel­leicht gut, irgend­wie sogar roman­tisch, aber ist es auch mach­bar? Als Berufs­tä­ti­ge, Voll­zeit­ma­ma oder beruf­li­che Voll­zeit­ma­ma hat man schliess­lich kaum Zeit für stun­den­lan­ge Kochari­en und täg­li­ches Ein­kau­fen. Ein­wän­de, die Clean Eater­in Tos­ca Reno nicht zäh­len lässt. Laut ihr ist Clean Eating für alle mach­bar. Denn Zeit hat man nicht, man nimmt sie sich – und zwar für die wich­tigs­te Sache der Welt: die Gesund­heit des eige­nen Körpers.
Sel­ber kochen, Zuta­ten aus der Regi­on oder vom Wochen­markt, kei­ne künst­li­chen Inhalts­stof­fe und erst recht kein Fast Food: Das ist es, was die Clean-Eating- Metho­de von Tos­ca Reno pro­pa­giert. Das war aber auch das, was bei unse­ren Gross­müt­tern täg­lich auf dem Spei­se­plan stand. Gesun­de, haus­ge­mach­te Küche – nicht mehr und nicht weni­ger. Ernäh­rung mit dem, was uns Mut­ter Natur ser­viert und der Mensch – mit einem ver­nünf­ti­gen Ernäh­rungs­be­wusst­sein – zu Tische bringt.
Was ist dar­an neu? Kri­ti­ker sagen: gar nichts. Hin­ter Clean Eating steckt nichts wei­ter als gutes Mar­ke­ting unter dem Deck­man­tel tra­di­tio­nel­ler Ernäh­rungs­leh­ren. Stimmt irgend­wie. Am Ernäh­rungs­ge­dan­ken des Clean Eating hat sich seit Gross­mutters Zei­ten eigent­lich kaum etwas geän­dert, an sei­ner Umset­zung schon. Zwar soll man wie­der essen, kochen und ein­kau­fen wie frü­her, doch die Super­märk­te, Gewohn­hei­ten und Ange­bo­te haben sich seit Omas Ein­kauf gründ­lich geän­dert. Natur­kost ist zwar noch da – aber sel­ten! Fast Food und Fer­tig­ge­rich­te waren vor ein paar Jahr­zehn­ten noch Fremd­wor­te, sind heu­te aber auf jedem Spei­se­plan zu fin­den. Es sind nicht der Kör­per und sei­ne Bedürf­nis­se, diesichgeänderthaben,sondernunsere Gewohn­hei­ten, mit die­sen umzu­ge­hen. Natür­li­ches Essen ist in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Clean Eating ist daher viel­leicht nicht unbe­dingt etwas Neu­es, aber etwas wie­der neu Ent­deck­tes. Und das dürf­te rei­chen, um es zum Trend zu machen. – Hof­fent­lich nicht nur vorübergehend.

VON LIN­DA FREUTEL

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