Denkt man an Viet­nam, denkt man an die Städ­te Hanoi und Ho-Chi-Minh-City, an die ein­zig­ar­ti­ge Halong-Bucht und das Mekong-Del­ta, an Reis­terras­sen oder kegel­för­mi­ge Hüte. Aber natür­lich auch an die Krie­ge, die Frank­reich und Ame­ri­ka gegen das klei­ne Land in Süd­ost­asi­en führ­ten. Aber Viet­nam hat noch eini­ges mehr zu bie­ten als das. Näm­lich freund­li­che Men­schen, eine atemberaubende 
Natur und ein­sa­me Strän­de.
von Karin Schmidt

 

Es ist halb fünf Uhr mor­gens. In Nha Trang ist es noch stock­dun­kel. Schlaf­trun­ken sit­ze ich auf der Bank eines Cyclo und las­se mich von Thien ent­lang der Strand­pro­me­na­de Tran Phu zum Markt fah­ren. Und wir sind nicht allei­ne: Im sanf­ten Licht der Mor­gen­däm­me­rung trifft sich die hal­be Stadt zum Früh­sport. Selbst noto­ri­sche Lang­schlä­fer wie ich soll­ten sich min­des­tens ein­mal in ihrem Viet­nam-Urlaub noch vor Mor­gen­grau­en aus dem Bett quä­len, um mit eige­nen Augen zu sehen, wie die Viet­na­me­sen ihren Tag begin­nen. Von mei­ner Fahr­rad­rik­scha aus beob­ach­te ich erstaunt die rie­si­ge Men­schen­men­ge beim gemein­sa­men Deh­nen, Stre­cken, Hüp­fen und Tan­zen. Jog­ger sind unter­wegs, jun­ge Män­ner spie­len Bad­min­ton oder machen Gym­nas­tik. Eine Jung­un­ter­neh­me­rin bewegt sich neben einer erstaun­lich bieg­sa­men Urgross­mutter, eine grös­se­re Grup­pe hat sich an der Strand­pro­me­na­de zum Tai Chi ver­sam­melt und befolgt die aus einem Laut­spre­cher schal­len­den Anwei­sun­gen. Man­che tau­chen auch ein ins Bien Dong, ins Süd­chi­ne­si­sche Meer, um ein paar Züge zu schwim­men. Man tut etwas für die Gesund­heit, mit asia­ti­scher Gelas­sen­heit, aber gros­ser Inten­si­tät und Ernst­haf­tig­keit. Gegen sechs Uhr geht die Son­ne auf, die Früh­sport­ler machen sich auf den Weg nach Hau­se oder zum Nudel­sup­pen-Früh­stück in die nächs­te Garküche.

Wir aber machen zuerst noch einen Abste­cher zum Markt. Die­ser bil­det, wie in vie­len Städ­ten in Viet­nam, das Zen­trum von Nha Trang. Da die Umge­bung um den Markt frü­her sehr feucht und schlam­mig war, muss­te die Gegend in den 1960er-Jah­ren tro­cken­ge­legt wer­den. An die­sen Zustand erin­nert noch heu­te der Name des Mark­tes: «Cho Dam», was soviel heisst wie «der Markt im Sumpf». Tag für Tag spielt sich hier das glei­che far­ben­fro­he, lau­te und fas­zi­nie­ren­de Schau­spiel ab. Dicht gedrängt hocken oder ste­hen die Ver­käu­fer, meist Bau­ern aus der nähe­ren Umge­bung, und bie­ten schrei­end ihre Ware in bun­ten Plas­tik- und Stroh­kör­ben feil. Moped­fah­rer, bela­den mit meter­ho­her Fracht, bah­nen sich ihren Weg laut­stark durch das krea­ti­ve Cha­os. Es wird gefeilscht, gelacht, geschimpft und geplap­pert wie – ja, wie auf einem rich­ti­gen Markt eben. Das ist in Nha Trang nicht anders als sonst wo auf der Welt. Ich las­se mich ein­fach trei­ben durch die­ses Laby­rinth, vor­bei an Stän­den vol­ler exo­ti­scher Früch­te und Gemü­se, deren Namen ich meist nicht ken­ne. Wie schaf­fen es die Viet­na­me­sen bloss, so lan­ge in der Hocke zu kau­ern? Thien tippt auf die Uhr, reibt sich den Bauch und zieht mich fort. Zeit für Pho Bò, die bei Viet­na­me­sen belieb­te Reis­nu­del­sup­pe. Auch mir knurrt der Magen und so machen wir uns auf den Weg zur nächs­ten Sup­pen­kü­che. In einer zur Küche umfunk­tio­nier­ten Gara­ge bro­delt die Brü­he in gros­sen Töp­fen. Die

Köchin füllt eine Sup­pen­scha­le mit fri­schen Reis­nu­deln und klein geschnit­te­nem Rind­fleisch und ser­viert die damp­fen­de Scha­le zusam­men mit einem Tel­ler Kräu­ter – lan­ger Kori­an­der und Thai­ba­si­li­kum – und Mung­boh­nen­spros­sen. Fisch­sos­se und Limet­ten­schnit­ze ste­hen bereit und schon schlür­fe ich genuss­voll die heis­se Sup­pe. Frisch gestärkt und vol­ler Ver­trau­en in Thiens Fahr­küns­te machen wir uns auf in den Nor­den der Stadt, zum Tem­pel Po Nagar, der auf einem Hügel steht und mir eine schö­ne Aus­sicht auf den Hafen bie­tet. Po Nagar ist das Wahr­zei­chen von Nha Trang und eines der bedeu­tends­ten Hei­lig­tü­mer der Cham, die bis zum 14. Jahr­hun­dert über Zen­tral­viet­nam herrschten.

Zurück im Hotel gön­ne ich mir etwas Ruhe und las­se die vie­len Ein­drü­cke des Mor­gens auf mich wir­ken. Ich neh­me Platz im Beach-Restau­rant des wun­der­schö­nen Eva­son Ana Man­dara und bli­cke auf das tür­kis­blaue Meer. Das Luxus­re­sort ist das ein­zi­ge Hotel im Ort direkt am Strand – eine tro­pi­sche Idyl­le mit Bun­ga­lows im tra­di­tio­nell viet­na­me­si­schen Stil, zwei Restau­rants, einem Six Sen­ses Spa und einem eige­nen Tauch­zen­trum. Das geroll­te küh­le Hand­tuch auf mei­nem Tisch ver­strömt den Duft von Lemon­gras. Von der lau­ten Haupt­stras­se, den Autos und den knat­tern­den Mopeds ist hier, direkt am Meer, nichts mehr zu hören. Ich neh­me nur die Wel­len, den Wind in den Pal­men und die Stim­me der freund­li­chen jun­gen Frau vom Ser­vice wahr: «Cof­fee or tea?» Nach der letz­ten Tas­se ist es Zeit für mei­nen Spa-Ter­min. Ich bin gespannt auf die Viet­na­me­si­sche Mas­sa­ge, die ich gleich «open air» genies­sen darf. Lan erwar­tet mich schon und bet­tet mich bäuch­lings auf eine Spa-Lie­ge. «Do you feel com­for­ta­ble?», fragt mich Lan, wäh­rend sie war­mes Mas­sa­ge­öl über mei­nen Rücken ver­teilt. Natür­lich! In der Fer­ne höre ich das Her­an­rol­len der Wel­len, das mich sanft ein­lullt. Genau so hat­te ich mir mei­nen Urlaub in Nha Trang vorgestellt.

 

Allg. Infos zu Vietnam

Haupt­stadt: Hanoi

Ein­woh­ner: ca. 90 Mio.

Spra­che: Viet­na­me­sisch. Vie­le älte­re Viet­na­me­sen spre­chen noch fran­zö­sisch. Eng­lisch als Zweit­spra­che gewinnt vor allem bei der jün­ge­ren Gene­ra­ti­on an Bedeutung.

Wäh­rung: Dong (VND). 1000 VND = ca. CHF 0.041. Gän­gi­ges Zah­lungs­mit­tel ist auch der US-Dollar.

Reli­gio­nen: Bud­dhis­ten (cir­ca 70 Pro­zent), Katho­li­ken (cir­ca 8 Pro­zent), Pro­tes­tan­ten (rund 1,2 Pro­zent), diver­se syn­kre­tis­ti­sche Religionen

Visum: Schwei­zer Bür­ger benö­ti­gen für die Ein­rei­se nach Viet­nam einen noch min­des­tens 6 Mona­te über das Rück­rei­se­da­tum hin­aus gül­ti­gen Rei­se­pass sowie ein Tou­ris­ten­vi­sum, wel­ches im Vor­aus bei der Bot­schaft von Viet­nam in Bern ein­ge­holt wer­den kann.

 

Aus­flugs­tipps in Nha Trang

Nha Trang zählt auf­grund des mil­den Kli­mas zu den belieb­tes­ten Bade­re­gio­nen des Lan­des. In einer wei­ten Bucht am Süd­chi­ne­si­schen Meer gele­gen wird die Stadt im Nor­den von einer klei­nen Berg­ket­te mit dem Son-Berg begrenzt. Haupt­at­trak­ti­on ist die 6 Kilo­me­ter lan­ge pal­men­ge­säum­te Pro­me­na­de mit älte­ren und neu­en Hotels. Per Boot erreicht man vor­ge­la­ger­te Inseln zum Tau­chen und Schnor­cheln. In der Stadt lohnt sich zudem ein Besuch im Ozea­no­gra­phi­schen Insti­tut und im Pasteur-Institut.

Eine abso­lut emp­feh­lens­wer­te Tages­tour, die direkt im Eva­son Ana Man­dara gebucht wer­den kann, führt den Gast mit Fah­rer und Gui­de in die Umge­bung von Nha Trang zu klei­nen Manu­fak­tu­ren, in denen Räu­cher­stäb­chen, Kera­mik, Reis­stroh­mat­ten, Kegel­hü­te oder Reis­fla­den meist in Fami­li­en­be­trie­ben her­ge­stellt werden.

Auch wäh­rend der River Cai Tour gewinnt der Gast wei­te­re viel­fäl­ti­ge und authen­ti­sche Ein­bli­cke in Viet­nams Natur und Kul­tur: Die Exkur­si­on auf dem «Roten Fluss» bie­tet eine wei­te­re Gele­gen­heit, das länd­li­che Viet­nam abseits der übli­chen Stras­sen zu erkun­den. Auf der Fahrt in einem viet­na­me­si­schen Holz­boot  zie­hen nost­al­gi­sche Dör­fer, Tem­pel und Plan­ta­gen an den Rei­sen­den vorbei.

Einer der bes­ten Foto­gra­fen in Viet­nam ist Long Thanh. Sei­ne Arbei­ten – stim­mungs­vol­le All­tags­mo­ti­ve mit wun­der­ba­rer, manch­mal über­ra­schen­der Per­spek­ti­ve zwi­schen Licht und Schat­ten – kann man in sei­ner Gale­rie in Nha Trang als Pos­ter erste­hen. 126 Hoang Van Thu, Nha Trang

www.elephantguide.com/photographer/longthanh.htm 

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